Können Roboter den Vogelflug nachahmen?
24. Januar 2020Können Roboter den Vogelflug nachahmen?
New York, 24.1.2020
Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler, Maschinen zu entwickeln, die die Flugweise der Vögel nachahmen. Ein Team der kalifornischen Universität Stanford ist einen großen Schritt näher gekommen. Es schuf den PigeonBot – ein geflügelter Roboter, der, wie es heißt, jene „graziöse Komplexität des Vogelflugs“ besser als jeder andere Roboter nachahmt.
Wenn ein Vogel durch die Luft schwebt, verändert er die Form seiner Flügel dramatisch, indem er Haarnadelkurven fliegt und sich auf und ab bewegt. Vögel verändern die Form ihrer Flügel weitaus stärker als Flugzeuge. Von der Komplexität des Vogelfluges fühlten sich Wissenschaftler schon seit langer Zeit herausgefordert. Inzwischen haben sie erkannt, dass die Bewegungen, die die Flügel der Vögel machen, weitaus effizienter als die eines Flugzeugs sind: „Tatsächlich sind die Vögel in der Lage, weiter und länger zu fliegen und viel besser zu manövrieren“, meint David Lentink, Professor für Maschinenbau an der Universität Stanford. „Ich liebe auch Flugzeuge, aber sie sind nicht mit einem Vogel zu vergleichen“.
Lentink führte ein Team an, das versuchte, das Rätsel der einzigartigen Funktionsweisen von Vogelschwingen zu lösen. Um herauszufinden, wie Vögel die Bewegung ihrer Federn während des Fluges kontrollieren, untersuchten sie Taubenkadaver. Bisher nahmen sie an, das die Federn von einzelnen Muskeln gesteuert werden können. Aber dann wurde ihnen klar, das die Erklärung viel einfacher ist als sie erwartet hatten.
Laut Lentink erkannten gleich mehrere Doktoranden, das allein durch die Bewegung des „Handgelenks“ und des „Fingers“ eines Vogels die Federn an ihren Platz fallen würden. Wenn sich das Handgelenk und der Finger des Vogels bewegen, „bewegen sich auch alle Federn, und zwar automatisch“, sagt er. „Und das ist wirklich cool.“
Aus dieser Erkenntnis resultierten die ersten Beweise dafür, dass die Finger des Vogels für die Steuerung wichtig sind. Das Team replizierte den Flügel des Vogels auf dem PigeonBot mit 40 Taubenfedern, Federn und Gummibändern, die mit einer Handgelenk- und Fingerstruktur verbunden sind. Wenn sich das Handgelenk und die Finger bewegen, bewegen sich auch alle Federn.
Die Forscher verwendeten einen Windkanal, um zu sehen, wie das Feder- und Gummibanddesign unter turbulenten Bedingungen funktioniert. „Die meisten Luft- und Raumfahrtingenieure würden sagen, dass dies nicht gut funktionieren wird, aber es hat sich als unglaublich robust erwiesen“, sagt Lentink.
Sie haben auch etwas Interessantes über das Zusammenwirken der Federn herausgefunden, das den meisten Vögeln hilft, unter turbulenten Bedingungen zu fliegen. In bestimmten Momenten des Fluges, etwa wenn ein Vogel seine Flügel ausstreckt, rasten winzige Haken an den Federn wie ein Klettverschluss zusammen. „Diese winzigen, mikroskopisch kleinen Mikrostrukturen, die sich zwischen den Federn befinden, ziehen sie zusammen, sobald sie zu weit auseinander liegen und sich ein Spalt bildet. Und das ist wirklich spektakulär“, fügt Lentink hinzu. „Es erfordert eine enorme Kraft, sie zu trennen.“
Diese winzigen Haken sind so klein, dass sie selbst durch ein Mikroskop kaum zu sehen sind. Wenn ein Vogel seine Flügel wieder einklemmt, entriegeln sich die Federn automatisch, wie ein richtungsweisender Klettverschluss. Das Lösen der verriegelten Federn macht für die meisten Vögel ein hörbares Geräusch. Das Team hat diese Erkenntnis in einem separaten Artikel in der Zeitschrift Science veröffentlicht.
Doch PigeonBot erhielt nichts, was mit den Flügeln der Vögel in Verbindung gebracht werden könnte. So auch das Schlagen. Die Designer haben sich darauf konzentriert, die subtileren Handgelenk- und Fingerbewegungen der Flügel zu integrieren, so dass der Bot während des Fluges durch die Luft zu gleiten scheint.
„Die Arbeit ist sehr beeindruckend“, lobt Alireza Ramezani, ein Ingenieursprofessor an der Northeastern University, der kürzlich zu einem Team gehörte, das einen von Fledermäusen inspirierten Roboter entwickelt hat.
Er geht davon aus, dass sich die Drohnenentwürfe der Zukunft von der Starrflügel- oder Drehflügeltechnologie entfernen könnten. Der Grund: Diese gefiederten sehr viel weicheren Flügel könnten „in zukünftigen intelligenten Städten besser sein, wenn es um die enge Interaktion zwischen Mensch und Flugsystem geht“. Die jetzigen, härteren Flügel, würden bei einem Zusammenstoß die Menschen schwer verletzen.
Ramezani kann sich auch vorstellen, dass von Tieren inspirierte Roboter bei zukünftigen Überwachungs- oder Aufklärungsbemühungen oder sogar bei der Lieferung von Paketen eingesetzt werden könnten. Lentink ist bescheidener: Er meint, dass die von seinem Team entdeckte Federverschlusstechnik die Modedesigner dazu inspirieren könnte Hightech-Kleidungsverschlüsse zu entwickeln.