Scheitert das Tesla- Projekt in Grünheide?
18. Februar 2020Scheitert das Tesla- Projekt in Grünheide?
Berlin, 18.2.2020
Von Horst Buchwald
Tesla will im Juli 2021 mit der Produktion der E-Autos in der Gigafactory bei Grünheide beginnen. Toll, alle sind begeistert. Nicht alle- es gibt auch Gegner. Muss man die ernst nehmen? Ob im Bundes- Wirtschaftsministerium oder in der Landesregierung Brandenburgs – sie sahen nirgendwo ein Problem. Doch es gibt ja noch Umweltschützer und Naturschutzgesetze. Hatte das irgendwer bedacht? Wohl kaum. Pech auch. Denn nun gibt es doch Probleme. Was ist los in Grünheide?
Mittwoch, 5.Februar. 15.00 Uhr. Grünheide. Ins Bürgerhaus Hangelsberg strömen zahlreiche Einwohner und Interessierte aus der Umgebung. Es sind überwiegend ältere Herren und Damen. Eingeladen hatte Tesla. Rund ein Dutzend Mitarbeiter parkten mit ihren Model S, Model 3 und Model X vor der Gaststätte.
15:30 Uhr: Arne Christiani, der Bürgemeister, begrüßt die zahlreichen Gäste und gibt das Thema bekannt: Es gehe um Tesla. Das Unternehmen wolle hier mindestens 3000 Arbeitsplätze schaffen. Die angereisten jungen Damen und Herren wollen erklären, was für ein Unternehmen das ist. Dies sei das Thema und „nicht der Wald und das Wasser.“
Ein leises Raunen geht durch einen Teil der Besucher. Kurz danach erheben sie sich und verlassen die Show. Christiani hatte zu deutlich gemacht, das sie – die Projekt-Gegner- heute Abend nicht duchdringen würden. Also verließen sie die Veranstaltung und heckten einen „besseren“ Plan aus. Davon später mehr.
Die Tesla- Crew präsentiert mit Power-Point und freien Redeeinlagen den Weltkonzern Tesla in rosigen Farben. Sie versichern den Bürgern, der Kampf gegen den Klimawandel sei fester Bestandteil der Tesla – DNA. Darum bauen sie ja Elektroautos. Auch einen Blick in die Zukunft wagten sie mit einer Einlage über das autonome Fahren. Es war eine ungeschminkte Werbekampagne. Würden die Bürger das dulden? Erstaunlich: die Mehrzahl der Besucher war eher angetan als skeptisch. Warum?
Gespaltene Interessenlage
„Endlich passiert hier was“ meinte ein Brandenburger erfreut. „Nun hat diese Region endlich mal eine Perspektive“, nickt ein anderer zustimmend. Beide sind deutlich über die 60 Jahre alt. Auch der Herr im schwarzen Anzug ist zufrieden: “Davon profitieren vor allem unsere Kinder“. Was steckt hinter diesen dürren Sätzen? Grünheide ist einer jener Orte im Speckgürtel von Berlin, den Gutbetuchte wegen des billigen Baugrunds und der Ruhe bevorzugen. Die andere Seite sind Jugendliche und zahlreiche Väter und Mütter ohne Job. Es herrscht also eine widersprüchliche Interessenlage. Die Einheimischen sind für Tesla. Sie hoffen auf einen Arbeitsplatz. Die Zugezogenen sind gegen Tesla, weil diese Fabrik ihre Ruhe stören könnte. Sie müssen gar nicht viel tun. Andere, nennen wir sie „Berufsgegner“, wissen schon, was zu tun ist. Das Naturschutzgesetz kennen sie in- und auswendig. Sie sind erfahren genug – denn mal tauchen sie als Gegner von Flughäfen auf, dann sind sie gegen Kohleabbau und nun heißt der Gegner Weltkonzern.
Der Schlachtplan
„Uns fehlte ein Arbeitgeber wie Tesla, der wird auch wieder junge Leute anziehen“ schwärmt der Bürgermeister. Er ist nicht allein. Dieses Projekt werde bis nach Frankfurt/Oder ausstrahlen, ist sein Gesprächspartner überzeugt. „Keine Frage“ , ergänzt der dritte im Bunde, „uns fehlten die jungen Leute hier, die kommen alle wieder“ – er holt kurz Luft und schlägt mit der flachen Hand auf einen Aktenstapel: „Als Arbeitgeber ist Tesla wie ein Magnet“.
Gundolf Schürke, Hauptgeschäftsführer der Industrie – und Handelskammer Ostbrandenburg, ist sich nicht so sicher. Er meint, Tesla würde jenen Unternehmen, die er vertritt, Talente klauen. Das Gegenargument, ein Weltkonzern suche und finde weltweit seine Talente, ist offenbar neu für ihn.
Indessen haben sich die Projekt-Gegner versammelt und einen Schlachtplan entworfen. Am Freitag soll es losgehen.
Donnerstag, 6.Februar, 7:00 Uhr: auf dem 90 ha großen Gelände beginnen die Rodungsarbeiten. Die angekränkelten Kiefern werden gefällt, in Stücke gesägt und gelagert. Durfte Tesla das? Die endgültige Genehmigung für den Baubeginn des neuen Werks sowie die Umweltvertäglichkeitsprüfung lagen schließlich noch nicht vor. Das zuständige Landesamt für Umwelt (LfU) erlaubte den Start der Rodungsarbeiten „auf eigenes Risiko“. Laut Brandenburgischer Staatskanzlei ist das „grundsätzlich möglich“, wenn einem Bauvorhaben „voraussichtlich zugestimmt wird“.
Freitag, 7.Februar: Der Umweltverein sowie der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB) legen dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) einen Antrag vor, der die Rodungsabeiten stoppen soll. Dieser Antrag wird abgelehnt.
Der VLAB hatte seinen Eilantrag mit der „überfallartig begonnenen Rodung“ eines „für den Klima- und Artenschutz wichtigen Waldgebietes“ in Grünheide begründet und den sofortigen Stopp der Baumfällungen beantragt.
Der Verein kritisierte, dass mit dem Abholzen des Waldstücks vollendete Tatsachen geschaffen würde, obwohl es noch keine Baugenehmigung für die Fabrik gebe. Auch seien die Auswirkungen dieses „gigantischen Projektes“ auf Mensch und Natur noch nicht eingehend und abschließend geprüft. Als weiteres Problem wurde der hohe Wasserverbrauch in einem sowieso schon trockenen Gebiet benannt.
Das Verwaltungsgericht war jedoch der Meinung, dass die Abwägung der naturschutzrechtlichen Belange durch das Landesumweltamt nicht zu beanstanden sei. Die Baumfällarbeiten könnten demzufolge fortgeführt werden (VG 5 L 69/20)
Nach der Ablehnung ihrer Eilanträge hatten die Antragsteller noch die Möglichkeit, in der nächsthöheren Instanz, am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, gegen den Beschluss Beschwerde einzureichen.
Samstag, 15. Februar: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat die laufenden Rodungsarbeiten auf dem Gelände für die geplante Tesla-Fabrik in Grünheide (Oder-Spree) vorläufig gestoppt. Wie das Gericht am Samstagabend mitteilte, entsprach es damit einem Antrag der Grünen Liga Brandenburg (Az.: OVG 11 S 8.20).
Montag, 17.Februar: In einem Interview mit „Business Insider“ erläutert Heinz Herwig Mascher was seinen Verein zu der Klage veranlasst hat: „ Uns geht es nicht um das Verhindern von Tesla, sondern um ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren. Tesla besitzt keine Baugenehmigung. Derzeit befinden wir uns in der Phase der Genehmigung nach Immissionsschutzrecht, und zwar erst in der Anhörung. Bis zum 5. März kann jeder Bürger, Verein oder Behörde seine Bedenken und Anregungen vorbringen.
Es ist also noch gar nicht bekannt, was alles dann im Einzelnen zu prüfen sein wird. In dieser Phase schon vollendete Tatsachen durch die Rodung zu schaffen, halten wir für rechtlich fragwürdig und wollen das vor Gericht prüfen lassen, damit hier kein Fall geschaffen wird, auf den andere sich an anderer Stelle berufen könnten.“
Mascher stellt fest: Bis zum 5. März könnten Fachbehörden, Umweltverbände und Bürger noch Einwendungen gegen die Fabrik einreichen. Solange die Frist noch nicht abgelaufen und die Anlage nicht genehmigt sei, dürften keine Tatsachen geschaffen werden — schließlich könne man die Rodungsarbeiten ja nicht rückgängig machen.
Was Mascher nicht erwähnt, ist der 1. März denn im § 39 BNatSchG heißt es:
Es ist verboten, Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen…
Dieser Termin erklärt somit auch die Eile Teslas. Mascher, der diesen Termin mit Sicherheit kannte, war also klar: Wenn er vor Gericht den Rodungsstopp erwirkt, hilft die Baugenehmigung auch nicht weiter, denn mindestens die Hälfte der zu rodenden Bäume würden stehen bleiben. Und die Folgen? Eine Baugenehmigung würde nicht mehr viel Sinn machen. Im schlimmsten Fall könnte Tesla das Vorhaben canceln. Diese Gefahr und die damit verbundenen Folgen, hat nun auch Wirtschaftsminister Altmaier begriffen. „Der Bau des Tesla-Automobilwerks in Brandenburg ist von großer Bedeutung für mehr Klimaschutz und eine der wichtigsten Industrieansiedlungen in den neuen Ländern seit langer Zeit“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Deutschland könne bei dem Projekt des US-Elektroauto-Herstellers zeigen, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze seien und es möglich sei, wichtige Projekte ähnlich schnell wie in anderen Ländern zu planen und zu bauen.
Ob Elon Musk solche Sätze trösten werden?
Und wenn nun der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, im „Tagesspiegel“ eine „zügigere Genehmigungspraxis in Deutschland“ forderte, dann könnte es sein, dass sie für viele Jahre zu spät kommt, weil der Fall Tesla jeden anderen Weltkonzern davon abhalten wird, hier zu investieren.
Der Kaufvertrag ist zwar unterschrieben, Geld jedoch noch nicht geflossen. Bislang war eine Summe von 41 Millionen Euro für das insgesamt 300 Hektar große Gelände angesetzt. Ob der Preis jedoch richtig berechnet wurde, soll ein unabhängiges Gutachten klären. Auch das kann also noch dauern.
Fazit: Tesla ist kein Selbstläufer. Wer solche Projekte an Land zieht, darf nach dem grundsätzlichen Ja des Firmenbosses nicht schon die Akte zuschlagen und ein „Abgehakt“ drauf kleben. Ganz im Gegenteil- er muss sich ständig fragen, wo Probleme auftauchen könnten, wer dem Projekt Steine in den Weg legen könnte. Wie sich auch hier wieder zeigt, müssen Umwelt- und Naturschutzgesetze sowie die verzwickten Baugenehmigungen unbedingt der Zeit angepasst und vereinfacht werden.
Noch etwas: Auch die Umweltschützer müssen sich grundsätzlich fragen, ob ihre Gegnerschaft in konkreten Fällen Sinn macht, indem sie über den Tellerrand der Gesetzeslage hinaus schauen. Warum? Weil die gerettete Natur und der dadurch erzielte ökonomische und soziale Schaden in einem krassen Missverhältnis stehen. Außerdem sollten sie vermeiden, sich von subjektiv bestimmten Motiven leiten zu lassen. Umweltschutz aus Rache – das ist kein gutes Motiv.
Ein Beispiel dafür, was ich damit meine ist der Vorsitzende der Grünen Liga, Heinz Herwig Mascher. Auf den Hinweis, das die zu rodenden Kiefern nun wirklich nicht besonders schützenswert aussehen, stellt er fest: im Normalfall müssten bei derartign Projekten „zu allen Jahreszeiten Erfassungen der Tier- und Pflanzenwelt durchgeführt“ werden. Im Fall Tesla habe man nur eine zweiwöchige Begehung durchgeführt. Dem Einwand , das die Experten hier sehr wahrscheinlich nichts schützenswertes fanden, hält er entgegen: es seien einige Ameisenhaufen und Fledermausquartiere gefunden worden. Also habe Tesla eine „Sonderbehandlung“ erfahren und das sei „mehr als genug“.
Die Positionierung ist deutlich: Umweltschutz ist für ihn wie eine Umweltbibel, die keine Interpretation sondern kompromisslose Exekution bedeutet. Woher diese verhärtete Einstellung kommt, offenbart Mascher mit folgender Erzählung: „Ich bin in einem Dorf bei Neuruppin groß geworden und erinnere mich noch, wie die Kuhweide meines Opas zugeteert wurde und ich über die Autobahn zur Schule laufen musste.“ Dieses Erlebnies während seiner Jugendzeit habe ihn umweltpolitisch stark geprägt – bis heute.
Mascher wird nun , wenn er „gesiegt“ hat in die Geschichte der Umweltbewegung eingehen. Als was? Er war der erste Brandenburger, der einen Weltkonzern besiegt hat, indem er rund 3000 Menschen den Arbeitsplatz „verweigert“ hat. Schließlich mussten Ameisenhaufen und Fledermäuse geschützt werden.