Google-Chef fordert Regeln für Gesichtserkennung
22. Januar 2020Google-Chef fordert Regeln für Gesichtserkennung
Brüssel, 22.2.2020
Geht es nach Google-Chef Sundar Pichai, wäre die Gesichtserkennung die erste KI-Technologie , die mit Priorität reguliert werden müsste. Er vergaß nicht hinzuzufügen, dass Google seit Jahren darauf verzichte, die Fähigkeit zur Gesichtserkennung als Dienstleistung anzubieten, „weil uns bewusst wurde, dass es eine Technologie voller Risiken ist.“
Pichai empfahl bei dieser Technik eine Wartezeit einzulegen, „bevor wir darüber nachdenken, wie sie genutzt wird“. Der Google-Chef rief die Regierungen auf, schnell Regeln für den Einsatz der Gesichtserkennung aufzustellen.
Der neue Vorstandsvorsitzende von Googles Muttergesellschaft, äußerte sich am Montag in einer Grundsatzrede in Brüssel. Er sagte den Zuhörern, dass „es keine Frage“ sei, dass KI-Technologie wie die Gesichtserkennung einer Regulierung bedürfe, aber der Ansatz sei am wichtigsten, und es sei eine „internationale Angleichung“ zwischen allen von der EU und den USA angenommenen Regeln erforderlich. „Die Geschichte ist voller Beispiele dafür, dass die Tugenden der Technologie nicht garantiert sind“, so Pichai.
Zuvor hatten einige Reporter bereits einen Vorschlag der Europäischen Kommission durchsickern lassen, der auf ein drei- bis fünfjähriges Verbot der Gesichtserkennung in öffentlichen Bereichen hinausläuft. Das Papier lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die bereits verabschiedete Allgemeine Datenschutzverordnung (GDPR), die, wie es heißt, zur Grundlage für die Regulierung der KI werden könnte. „Wir brauchen auch für die KI eine GDPR“, schrieb @ELTIassociation auf Twitter.
Googles Cloud-Rivale Amazon vermarktet eine Gesichtserkennungs – Technologie mit dem Namen „Rekognition“, die Kunden wie Ermittlungsbehörden auf ihre Bilddatenbanken anlernen können. Außerdem haben etliche asiatische Hightech-Konzerne Gesichtserkennungsprodukte im Angebot.
Erst am Wochenende war durch einen Bericht der „New York Times“ bekannt geworden, dass eine US-Firma namens Clearview AI eine Datenbank aus rund drei Milliarden frei im Internet zugänglicher Bilder zusammengestellt und auf dieser Basis einen Service zur Gesichtserkennung anbietet. Im vergangenen Jahr sei der Zugang dazu mehr als 600 Behörden angeboten worden, schrieb die Zeitung am Wochenende unter Berufung auf das Unternehmen. Angaben dazu, welche Behörden das waren, macht Clearview nicht. Auf ihrer Website lässt die Firma kanadische Ermittler, deren Spezialität die Aufklärung von Sexualverbrechen ist, lobend zu Wort kommen.
Für die Datenbank seien öffentlich zugängliche Bilder bei Plattformen wie Facebook und YouTube oder dem US-Bezahlservice Venmo eingesaugt worden, hieß es. Eine Sammlung in dieser Dimension würde bisher bekannt gewordene Datenbanken zur Gesichtserkennung übertreffen. In den USA prüfen die Behörden die Identität der Einreisenden per Gesichtserkennung – greifen dabei aber auf die Bilder zurück, die speziell dazu aufgenommen wurden.
Gründer von Clearview ist der 31 Jahre alte Hoan Ton-That, der aus Australien in die USA kam. Seine bisherigen Geschäftsideen waren nur wenig erfolgreich. Dazu gehört auch eine App, mit der sich Nutzer auf ihren Fotos Trumps charakteristische Frisur verpassen konnten. Er habe zwischenzeitlich an eine Karriere als Model gedacht, dann aber beschlossen, ins Geschäft mit der Gesichtserkennung einzusteigen, sagte er der „New York Times“.
Außerdem räumte Ton-That auf Anfrage der Zeitung ein, dass Clearview auch den Prototypen einer Computerbrille mit Gesichtserkennungsfunktion entwickelt habe – es gebe aber keine Pläne, diese zu vermarkten.
Der Bericht löste schon am Wochenende erste politische Reaktionen aus. US-Senator Ron Wyden, Mitglieder der Demokratischen Partei, zeigte sich besorgt und forderte, Amerikaner müssten wissen, ob ihre Fotos heimlich in einer privaten Datenbank landen.
Ein früherer Geldgeber war US-Milliardär Peter Thiel. Der PayPal-Mitgründer und Facebook-Investor ist für seine libertären Ansichten und als einer der wenigen erklärten Unterstützer von Präsident Donald Trump im Silicon Valley bekannt. Sein Sprecher sagte der Zeitung, Thiel habe Clearview im Jahr 2017 mit 200.000 US-Dollar unterstützt und dafür einen Anteil bekommen. Er sei ansonsten nicht beteiligt.