KI – gesteuerte Simulation sagt 2,5 Milliarden infizierte Menschen voraus/ Ärzte: nicht glaubwürdig

KI – gesteuerte Simulation sagt 2,5 Milliarden infizierte Menschen voraus/ Ärzte: nicht glaubwürdig

11. Februar 2020 0 Von Horst Buchwald

KI – gesteuerte Simulation sagt 2,5 Milliarden infizierte Menschen voraus/ Ärzte: nicht glaubwürdig

New York, 11.2.2020

Eine KI-gesteuerte Simulation, die von einem Technologiemanager durchgeführt wurde, ergab, dass das Coronavirus innerhalb von 45 Tagen bis zu 2,5 Milliarden Menschen infizieren und bis zu 52,9 Millionen von ihnen töten könnte- berichtet das Magazin „Forbes“. Glücklicherweise ändern sich jedoch die Infektions- und Entdeckungsbedingungen, was wiederum unglaublich wichtige Faktoren verändert, die der KI nicht bekannt sind. Bedeutet das, das wir wahrscheinlich sicherer sind, als wir denken?

Rational oder nicht, die Angst vor dem Coronavirus hat sich weltweit verbreitet. Masken in chirurgischer Qualität sind in Vancouver, Kanada, ausverkauft, wo viele Chinesen kürzlich eingewandert sind. United und andere Fluggesellschaften haben Flüge nach China gestrichen, und ein Kreuzfahrtschiff mit Tausenden von Passagieren wird vor der Küste Italiens unter Quarantäne gestellt, nachdem Mediziner einen infizierten Passagier entdeckt hatten.

Eine neue Website, die Coronavirus-Infektionen weltweit verfolgt, sagt, dass wir derzeit 24.566 Infizierte, 493 Tote und 916 Genesende verzeichnen.

All dies veranlasste James Ross, Mitbegründer des fintech-Startup-Unternehmens HedgeChatter, ein Modell zur Schätzung der globalen Gesamtreichweite des Coronavirus zu erstellen.

Er begann mit einem täglichen Wachstum. Als Grundlage dienten ihm die von China offiziell veröffentlichten Daten. Diese übertrug er dann in ein neuronales KI-Netz unter Verwendung eines RNN [recurrent neural network]-Modells und führte die Simulation zehnmillionen Mal durch. Dieses Ergebnis diktierte die Prognose für den folgenden Tag. Sobald die Ausgabe veröffentlicht war, wurden diese Daten den zuvor eingespeisten Trainingsdaten hinzugefügt und erneut zehn Millionen Mal ausgeführt.

James Ross

 

Schockierende Ergebnisse

Die bisherigen Ergebnisse haben dazu geführt, dass die am nächsten Tag öffentlich bekannt gegebenen Zahlen innerhalb von 3% liegen, sagt Ross.Die Ergebnisse waren schockierend. Sogar entsetzlich: Von 50.000 Infektionen und 1.000 Todesfällen nach einer Woche stiegen sie auf 208.000 Infektionen und fast 4.400 Todesfälle nach zwei Wochen – und die Zahlen wachsen weiter, da jede infizierte Person nacheinander andere ansteckt. In 30 Tagen, so das Modell, könnten zwei Millionen Menschen sterben. Und in nur 15 weiteren Tagen schießt die Zahl der Todesfälle weiter in diesem Tempo in die Höhe.

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Das Modell kennt nicht alle Faktoren, so Ross. Mehrere Ärzte sind ebenfalls der Meinung, dass sich die Bedingungen und somit auch die Daten ändern – ein Umstand, den das neuronale Netz nicht berücksichtigt hat. Das dürfte auch die Ergebnisse stark verändern.

Professor Eyal Leshem vom Sheba Medical Center in Israel stellt dazu fest: „Wenn ein hoher Anteil der Infizierten asymptomatisch ist oder nur leichte Symptome entwickelt, werden diese Patienten möglicherweise nicht gemeldet, und die tatsächliche Zahl der Infizierten in China kann viel höher sein als gemeldet“, betont er und fügt hinzu: „Dies kann auch bedeuten, dass die Sterblichkeitsrate (derzeit schätzungsweise 2% der Infizierten) viel niedriger sein könnte“.

Auch diese Überlegung müsse bedacht werden: Eine breitere Infektion klinge nicht nach guten Nachrichten, aber wenn sie bedeute, dass die Todesrate nur 5% oder sogar 1% beträgt – sei das Coronavirus plötzlich ein viel weniger bedeutendes Problem.

Außerdem hätte man den Alarm aufgehoben, wodurch sich das Verhalten der Menschen ebenfalls verändere. Auch das habe wiederum Auswirkungen auf die Verbreitung der Krankheit.

„Eine wirksame Eindämmung dieses Ausbruchs in China und die Verhinderung der Ausbreitung in anderen Ländern wird voraussichtlich zu einer viel geringeren Zahl von Infektionen und Todesfällen führen als geschätzt“, sagt Leshem.

Dr. Amesh A. Adalja, ein leitender Wissenschaftler am Johns Hopkins Center for Health Security, stimmt dem zu: „Die Todesrate sinkt, da wir wissen, dass die Mehrzahl der Fälle nicht schwerwiegend ist, und sobald die Tests an größeren Bevölkerungsgruppen – nicht nur an hospitalisierten Patienten – durchgeführt werden, werden wir sehen, dass die Breite der Krankheit gegen eine schwere Pandemie spricht“. Brian Labus, ein Assistenzprofessor an der UNLV-Schule für öffentliche Gesundheit ergänzt: „Die gemeldete Todesrate zu Beginn eines Ausbruchs ist in der Regel überhöht, weil wir zuerst die kränksten Menschen untersuchen und viele von ihnen sterben, was ein verzerrtes Bild ergibt. Die Projektionen scheinen unrealistisch hoch zu sein. Im letzten Jahr haben sich etwa 8% der Bevölkerung über 7-8 Monate mit der Grippe infiziert; in diesem Modell wird ein Drittel der Erdbevölkerung innerhalb von 6 Wochen infiziert“.

Sind wir über den Berg?

„All diese Faktoren zusammengenommen bewirken potenziell große Veränderungen sowohl in der Infektions- als auch in der Sterblichkeitsrate, und selbst kleine Veränderungen haben enorme Auswirkungen auf die Computerprognosen,“ meint Dr. Jack Regan, CEO und Gründer von LexaGene, das automatisierte Diagnosegeräte herstellt. Er ist sicher: „Kleine Veränderungen in der Übertragbarkeit, der Sterblichkeitsrate usw. können große Veränderungen in der weltweiten Gesamtmortalitätsrate bewirken“.

Trotzdem sind wir noch nicht ganz über den Berg. „Bis heute haben wir mit jedem Tag, der vergeht, nur einen Anstieg der Zahl der Fälle und der Gesamtzahl der Todesfälle erlebt“, sagt Regan. „Da jedes kranke Individuum mehr als ein anderes ansteckt, scheint die Ausbreitungsrate zu steigen (d.h. sich zu beschleunigen), was die Eindämmung noch schwieriger macht. Es scheint klar zu sein, dass sich diese Krankheit weiter ausbreiten wird, und es ist unwahrscheinlich, dass sie eingedämmt werden kann und sich somit zu einer weltweiten Pandemie ausweiten könnte“.

Mit anderen Worten: Trotz aller medizinischen Bemühungen wird das Coronavirus wahrscheinlich weltweit verbreitet werden. Aber dank all dieser medizinischen Bemühungen wird es wahrscheinlich nicht so tödlich sein wie vorhergesagt.

Faßt man weitere Äußerungen von optimistisch gestimmten Ärzten und Forschern zusammen, ergibt sich dies: die allgemeine Grippe, die es schon immer gab – und die für den Tod von 50 Millionen Menschen nach dem Ersten Weltkrieg verantwortlich gemacht wird – gibt es immer noch. In dieser Saison hat sie bisher 19 Millionen Menschen infiziert, 180.000 Krankenhausaufenthalte verursacht und 10.000 Menschen getötet – allein in den Vereinigten Staaten. Doch niemand kaufe dafür Masken, schließe Grenzen oder stoppe Flüge.

Was schließlich James Ross, den Technologen betrifft, der das KI-getriebene Modell überhaupt erst geschaffen hat? Niemand wäre glücklicher, wenn sich seine Vorhersagen nicht eintreffen.