Roboter als Partner im Kampf gegen das Coronarvirus

Roboter als Partner im Kampf gegen das Coronarvirus

16. April 2020 0 Von Horst Buchwald

Roboter als Partner im Kampf gegen das Coronarvirus

New York und Berlin 16.4.2020

Wer hätte das vor einigen Monaten nach dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie gedacht: Roboter ersetzen den Menschen überall dort, wo es für ihn im Kampf gegen das Virus lebensgefährlich  werden könnte. Das ist vor allem in Krankenhäusern, Laboren und Lagern der Fall.

„Ich rechne mit einem starken Schub für Dienstleistungsroboter“, sagt Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky. „Die Roboter gibt es alle bereits, aber sie werden jetzt in unseren Alltag rücken.“

Zu den größten Anbietern von Service-Robotern auf der Welt gehört das dänische Unternehmen Blue Ocean Robotics. Ihr Desinfektionsroboter UVD ist in vielen Krankenhäusern rund um den Globus im Einsatz und tötet Krankheitserreger mit ultraviolettem Licht.  „Die Nachfrage ist seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie explodiert. Statt eines Wachstum von 400 Prozent erwarten wir nun, dass es noch mal zwei- bis dreimal höher ausfällt“, sagt Blue-Ocean-Mitgründer und -Chef Claus Risager. Er habe die Produktion hochgefahren und stelle monatlich 20 neue Mitarbeiter ein. Risager ist der Meinung, dass das Momentum andauert: „Vor der Krise wurden Roboter als „nice-to-have“ angesehen, jetzt versteht jeder ihren Wert.“

Roboter fährt autonom und desinfiziert bis zu 99,99 %

Der Desinfektionsroboter UVD Robot von Blue Ocean Robotics fährt autonom durch Krankenhäuser und sendet dabei konzentriertes UV-C-Licht aus, um Bakterien und andere schädliche Mikroorganismen zu beseitigen. Das Gerät behandelt dabei die Oberflächen in einer Krankenstation mit Licht aus mehreren Winkeln und aus nächster Nähe. Ausserdem desinfiziert er alle Kontaktflächen und stoppt auch an vordefinierten Hotspots, die eine längere Verweildauer erfordern. Auf diese Weise erreichen die Kliniken eine Desinfektionsrate von 99,99 % und reduzieren damit das Risiko für Patienten, Personal und Besucher, sich mit gefährlichen Erregern zu infizieren.

Uvd  wird weltweit nachgefragt. Chinesische Krankenhäuser bestellten mehr als 2.000 UVD-Roboter des dänischen Herstellers.  Eingesetzt wurden die UVD-Desinfektionsroboter in Wuhan, dem Ursprungsort der globalen Pandemie. Derzeit werden die Roboter in mehr als 40 Ländern genutzt. „Mit unseren Robotern helfen wir , eines der größten Probleme unserer Zeit zu lösen: die Verbreitung von Viren und Bakterien einzudämmen und damit Leben zu retten“,fügt Risager hinzu.

Da die Einwirkung von UV-C-Licht auf den Menschen vermieden werden sollte, enthält der Roboter eine Reihe von Sicherheitsmerkmalen: So wird beispielsweise ein Tablet mit Bewegungssensor an der Tür des Patientenzimmers platziert. Das UV-C-Licht schaltet sich automatisch aus, wenn jemand den Raum betritt.

Aus Sicherheitsgründen arbeiten die Geräte in den Räumen selbstständig und schalten das UV-C-Licht sofort automatisch ab, sobald jemand den Raum betritt. Der kollaborative Roboter kann in unterschiedlichsten Räumen eingesetzt werden – nicht nur in Krankenhäusern. Die Technologie funktioniert auch in Büroräumen, Einkaufszentren, Schulen, Flughäfen und Produktionsstätten.

Das Potenzial für Medizinroboter ist enorm

„Das Potenzial der Roboter, uns bei der aktuell schweren Corona-Pandemie zu unterstützen, ist enorm“, so Dr. Susanne Bieller, Generalsekretärin der IFR. „Sie unterstützen uns im Gesundheitswesen, aber auch bei der Entwicklung, Prüfung und Herstellung von Medikamenten, Impfstoffen und anderen medizinischen Geräten und Hilfsmitteln. Desinfektionsaufgaben – wie sie der UVD-Roboter durchführt – oder die sichere Verteilung von Krankenhausmaterial in Quarantänezonen ohne menschlichen Kontakt – die beispielsweise der mobile Roboter Phollower von Photoneo leistet, sind nur zwei von vielen Beispielen.

Medizinroboter bilden heute bereits einen eigenen, gut etablierten Serviceroboter -Markt mit beträchtlichem Wachstumspotenzial. Der Absatz von Medizinrobotern stieg im Jahr 2018 um 50% auf 5.100 Einheiten. Das geht aus dem von der IFR vorgestellten Bericht World Robotics hervor.

 

 

 

Um davon zu profitieren und andere Umsatzeinbußen auszugleichen, drücken viele Unternehmen auf die Tube, entwickeln neue Roboter oder passen vorhandene Geräte an neue Anforderungen an. „Wir werden in den nächsten Wochen viele konkrete Anwendungen sehen, in denen Roboter zum Nutzen der Gesellschaft eingesetzt werden“, sagt die Generalsekretärin des Internationalen Roboterverbandes IFR, Susanne Bieller. So entwickelte auch Siemens innerhalb von Wochen einen Desinfektionsroboter. „Die Ideen schießen gerade wie Pilze aus dem Boden. Das hat einiges mit Gründerspirit zu tun“, findet Patrick Schwarzkopf vom Maschinenbau-Verband VDMA.

Laborprozesse und Messungen beschleunigen, Krankenhäuser desinfizieren, Mundschutzmasken produzieren, medizinische Behandlungen absichern: Angesichts der Corona-Pandemie gibt es viele wichtige Aufgaben, bei denen Robotik und Automation wertvolle Dienste leisten oder zukünftig leisten könnten. Hier einige Beispiele:

Ein innovatives Messverfahren von Stuttgarter Fraunhofer-Forschern hilft, Corona-infizierte Personen aus sicherem Abstand aufzuspüren. Es registriert Fieber, erhöhten Puls und schnellen Atem, ohne den messenden Mitarbeiter zu gefährden. Denn das Verfahren des FraunhoferIPA misst alle relevanten Parameter aus einer Entfernung von einem Meter. Der Mitarbeiter, der die Messung von einem Laptop aus durchführt, kann den geforderten Mindestabstand von anderthalb bis zwei Metern problemlos einhalten. Die Fraunhofer-Institute IPA und IAO testen das Verfahren gerade im Stuttgarter Robert Bosch-Krankenhaus .

Das Verfahren misst nicht nur die Körpertemperatur mit einer Thermokamera, sondern auch die Herz- und die Atemfrequenz mit Hilfe von Mikrowellen. Ein Radarmodul mit Mikrodopplerverfahren kommt dabei zum Einsatz. Das Forscherteam prüft nun vor Ort, ob und wie genau das Messverfahren den von Krankenpflegern im Eingangsbereich erhobenen Daten entspricht und ob der Ablauf praktikabel ist. Das Verfahren wurde in nur wenigen Wochen entwickelt und soll einen Beitrag zur möglichst schnellen Eindämmung der Corona-Pandemie leisten.

Im Kampf gegen das Coronavirus setzt man in China verstärkt 5G- Polizeiroboter von Guangzhou Gosuncn Robot ein. Sie wurden bereits auf Flughäfen und in Einkaufszentren in Guangzhou, Shanghai, Xi‘an und Guiyang gesichtet. Ihre Aufgabe ist es, Polizeibeamte bei der Durchführung von Inspektionen zur Krankheitsvorbeugung zu unterstützen. Dafür sind sie  mit 5 hochauflösenden Kameras und Infrarot-Thermometern ausgestattet, die die Temperatur von 10 Personen gleichzeitig in einem Radius von 5 Metern scannen können.

Wenn eine erhöhte Temperatur oder das Fehlen einer Mundschutzmaske festgestellt wird, senden die Polizeiroboter eine Warnung an die zuständigen Behörden. Alle Daten können an ein zentrales Kontrollzentrum übertragen werden, um in Echtzeit situationsbezogen reagieren zu können.

Der Montageanlagenbauer PIA Automation hilft, auf die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Mundschutzmasken und andere persönlicher Schutzausrüstung (PSA) zu reagieren. Der Montageanlagenbauer bietet vollautomatische Montagelinien für die Hochgeschwindigkeitsfertigung von Schutzmasken an. Seit der rasanten Ausbreitung des Virus sind bei PIA in Amberg über 100 Anfragen aus allen Teilen der Welt eingegangen.

Ziel: 1 Million Mundschutzmasken pro Tag

Der Standort Amberg beherbergt das medizinische Kompetenzzentrum der PIA Gruppe und wurde mittlerweile mit der Produktion von einem Dutzend vollautomatischer Anlagen für die Fertigung von Mundschutzmasken beauftragt. Viele Unternehmen folgen dem Aufruf der bayerischen Staatsregierung, eine nationale Produktion an persönlicher Schutzausrüstung aufzubauen. Unter ihnen auch die Firma Zettl Automotive, die nun in einer Partnerschaft mit PIA die Produktion von Mundschutzmasken aufzieht. Das Ziel ist die Herstellung von rund 1 Million Mundschutzmasken pro Tag. Mit diesem ambitionierten Vorhaben zeigen beide Unternehmen, dass – neben dem „Social Distancing“ – auch ein „Industrial Approaching“ zur Eindämmung des Corona-Virus beitragen kann.

Jede dieser vollautomatischen Produktionslinien für die Hochgeschwindigkeitsfertigung kann bis zu 140.000 Mundschutzmasken (abhängig von Typ und Material) pro Tag liefern, also ein Vielfaches an dem was aktuell per Hand hergestellt wird. In Europa kann PIA dafür sorgen, dass der Bedarf an solchen Masken – vor allem im Hinblick auf die Ausweitung einer Tragepflicht in immer mehr Ländern – gedeckt wird.

Siemens entwickelt Desinfektionsroboter im Rekordtempo

Siemens hat, in Zusammenarbeit mit der chinesischen Aucma Co. Ltd. In nur einer Woche inen intelligenten Desinfektionsroboter von der Idee bis zum Prototyp entwickelt. Dieser soll schon bald im Kampf gegen das Coronavirus und andere Viren in Krankenhäusern, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zum Einsatz kommen.

Der elektrische Roboter reinigt mit zwei Vernebelungspistolen innerhalb einer Stunde eine Fläche von bis zu 36000 m² und überwindet mit seinem Fahrwerk Hindernisse und Höhenunterschiede. Eine 360°-Kameraplattform auf der Oberseite überträgt Bilddaten und Informationen in Echtzeit.

Roboter für Labor und Krankenhaus

Mit einem mobilen und kollaborativen YuMi- Roboter für Labor und  Krankenhaus will ABB medizinisches Fachpersonal und Laborfachkräfte bei der Laborarbeit und logistischen Aufgaben im Krankenhaus unterstützen. Dazu hat ABB auf dem Campus des Texas Medical Center (TMC) in Houston, einen globalen Health Care Hub eröffnet, der sich speziell der Gesundheitsforschung widmet.

Der mobile YuMi-Roboter kann ein breites Spektrum wiederkehrender und zeitaufwändiger Tätigkeiten übernehmen und unter anderem Medikamente vorbereiten, Zentrifugen be- und entladen, pipettieren, mit Flüssigkeiten umgehen sowie Reagenzgläser aufnehmen und sortieren.

Ebenso könnte der mobile YuMi auch in Krankenhäusern für Logistikaufgaben eingesetzt werden. YuMi könnte etwa Medikamente dosieren, sie dorthin bringen, wo sie im Krankenhaus benötigt werden, medizinisches Versorgungsmaterial für das Krankenhauspersonal bereitstellen oder Bettwäsche direkt in die Zimmer der Patienten liefern. Das ermöglicht es medizinischem Fachpersonal und Laborkräften, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren, wodurch letztlich mehr Patienten behandelt werden können.

Vollautomatisierte Roboter-Arbeitsstation fürs Labor

Roboterassistent für die Intubation

Das schnelle und korrekte Einführen eines Beatmungsschlauchs in die Lunge (Intubation) kann das Leben eines Patienten retten. Ein roboterbasiertes System aus Zürich findet mit Bilderkennung auch von allein den Weg in die Luftröhre und unterstützt Ungeübte. Realiti (robotic endoscope-automated via laryngeal imaging for tracheal intubation) findet dank Bilderkennung automatisch den richtigen Weg in die Luftröhre und überträgt den ganzen Vorgang auf einen Videobildschirm.

Das tragbare und einfache Gerät funktioniert wie ein Endoskop, auf das man den Beatmungsschlauch aufzieht und diesen dann in die Luftröhre vorschiebt. An seiner Spitze ist eine Kamera montiert, die nicht nur das Bild laufend auf einen Monitor überträgt, sondern es auch permanent mit gespeicherten Aufnahmen der menschlichen Anatomie im Schlund- und Kehlkopfbereich abgleicht.