Wenn der Roboter Deinen Gesichtszügen entnimmt, was Du denkst

Wenn der Roboter Deinen Gesichtszügen entnimmt, was Du denkst

13. Mai 2020 0 Von Horst Buchwald

Wenn der Roboter Deinen Gesichtszügen entnimmt, was Du denkst

London, 13.5.2020

Thomas Roszak ist Wartungstechniker in einem riesigen Lagerhaus in Hatfield. Das Thema Roboter war für ihn zwar nicht neu, doch das ausgerechnet er den Auftrag bekam, mit ARMAR – 6 zusammen zu arbeiten, erfüllte ihn mit Stolz und er sehnte den Tag herbei, an dem er dieser Wundermaschine gegenüberstehen würde.

Er wollte so früh wie möglich wissen, was auf ihn zukommt. Er wollte vorbereitet sein. Doch man beruhigte ihn, ließ einige Schlagworte fallen- aber das reichte nicht für ein zufriedenstellendes Bild. So hieß es unter anderem, nicht er müsse lernen, sondern der Roboter werde ihm zeigen, was er gelernt habe. Das regte die Phantasie des Technikers enorm an, doch er kam immer noch nicht zu einem Ergebnis. Dann stand der Kollege plötzlich vor ihm, lächelnd, freundliche Stimme. Roszak war perplex: „Wie ein Mensch“ entfuhr es ihm.

Dann erläuterte ein Manager den Auftrag für die beiden: Reparatur und Wartung des automatischen Sortier- und Verpackungssystems , mit dem der Online-Supermarkt die Lebensmittelbestellungen der Kunden zusammenstellt. Dabei fällt nicht selten auch körperliche Schwerstarbeit an. Roszack ist zwar kräftig, doch die Eisenplatte, die er in die andere Halle transportieren sollte, bereitete ihm Kopfzerbrechen. Sie wog mehrere Zentner.

Roszack war überrascht, als der Roboter ihm anbot, den Transport zu übernehmen. Woher wusste der Kerl, was zu tun sei? Die Maschine erklärte es ihm: „Ich habe Sie beobachtet und konnte ihren Gesichtszügen entnehmen, worüber sie nachdenken“.

Das war eine Sensation, ja, sowas gab es zuvor noch nirgendwo, da war sich Roszak sicher: Ein Roboter, der menschliche Gesichtszüge interpretieren kann und der dann auch noch in der Lage ist,dies mit seinem menschlichen Partner zu diskutieren. Doch nun zur Eisenplatte. „Die übernehme ich“, sagte ARMAR- 6 und dann staunte der Mensch erneut, denn seine Bewegungen waren so schnell, das der Wartungstechniker ein Ergebnis schon mal vorweg nahm: dies war der Beweis, das Mensch und Roboter in Zukunft schwierige Aufgaben sinnvoll gemeinsam lösen können.

ARMAR – 6 wurde am Karlsruher Instititut für Technologie (KIT)entwickelt. Ziel war es, einen kollaborativen Roboter zu bauen, in dem Roboterarme und -hände, Visionssysteme, Spracherkennung mit Hilfe von KI zusammengebracht wurden, so dass er nicht mehr nur auf Befehle reagiert,sondern antizipiert, wie er seinem menschlichem Partner behilflich sein kann.

Zu diesem Zweck wurde die KI des Roboters durch das Beobachten von Menschen bei der Ausführung von Aufgaben trainiert. „Ich würde sagen, dass 80 % der Fähigkeiten des Roboters wirklich durch menschliche Demonstration erlernt wurden“, bestätigte Prof. Tamim Asfour vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dabei stellte sich heraus, das die KI auf diese Weise viel schneller programmiert werden konnte, als sie durch Anweisungen von Grund auf neu zu programmieren, erläuterte Asfour.

Das Team wollte auch, dass der Roboter Sprache erkennt und auf natürliche Weise reagiert. Was ihnen dann demonstriert wurde, fasste Sebastian Stüker vom KIT so zusammen: „Die Durchbrüche in Bereichen wie natürlichsprachliche Schnittstellen und Aufgabenverständnis werden zu einer besseren Akzeptanz der Roboter durch den Menschen führen und eine einfachere, natürlichere Nutzung ermöglichen.“

 

Um sicherzustellen, dass ihr Roboter Seite an Seite mit einem Menschen arbeiten kann, statteten sie ihn mit einem Visionssystem aus, in dem fünf Kameras die Bewegungen des menschlichen Mitarbeiters verfolgen und Objekte, wie z.B. Werkzeuge, identifizieren.

Er wurde auch darin geschult, zu erkennen, wie und wann er seine Kraft angemessen anwenden muss. „Eine der Anforderungen bei der Konstruktion der Arme war, dass sie Kollisionen mit dem menschlichen Körper rechtzeitig erkennen und sofort anhalten“, fügte Asfour hinzu.

Auch Experten wie Prof. Nathan Lepora (Leiter der Gruppe für taktile Robotik am Bristol Robotics Laboratory) war ebenfalls voll des Lobes: „Dies ist eine enorme Herausforderung. Sie versuchen, Fähigkeiten zu reproduzieren, die derzeit nur Menschen besitzen: neben anderen Menschen zu arbeiten. Es erforderte Fachkenntnisse im Bau von humanoiden Robotern, Online-Lernen, bei dem der Roboter sich selbst beibringt, Aufgaben zu erledigen, und ausgeklügeltes Computersehen, um sich in der Umwelt zurechtzufinden und mit ihr zu interagieren.“