Woher kam Sars-CoV-2? Die Meinungsverschiedenheiten werden schärfer

Woher kam Sars-CoV-2? Die Meinungsverschiedenheiten werden schärfer

11. Februar 2021 0 Von Horst Buchwald

Woher kam Sars-CoV-2? Die Meinungsverschiedenheiten werden schärfer

 

Wuhan, 11.2.2021

 

Anfang der Woche hat ein internationales Team von WHO-Spezialisten auf einer Pressekonferenz in Wuhan die Ergebnisse einer einmonatigen Untersuchung über die Herkunft des Virus vorgestellt. Dabei zeigte sich erneut, dass die Einschätzungen zwischen den Experten noch weit auseinander liegen.

Chinas Gesundheitsbehörden haben wiederholt behauptet, dass sie das Covid-19-Virus auf gefrorenen Lebensmittelimporten fanden und dadurch Infektionen im Land mit Schweineköpfen und Meeresfrüchten in Verbindung bringen konnten. Daraufhin hat Peking die Einfuhr von gefrorenen Lebensmitteln ausgesetzt und Kontrollen, Tests und Desinfektion von Verpackungen und Behältern eingeführt. Dies führte zu erheblichen Verzögerungen in den Häfen. Der Leiter der chinesischen Delegation, Liang Wannian, betonte auf der Pressekonferenz: „Sars-CoV-2 kann unter den Bedingungen, die in Tiefkühlkost, Verpackungen und Produkten der Kühlkette herrschen, überleben. “

Liang deutete auch an, dass das Virus vor dem Ausbruch in Wuhan Infektionen in Übersee verursacht haben könnte, diese aber nicht identifiziert wurden. Peking hatte im vergangenen Jahr mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass nur weil das Virus zuerst in Wuhan entdeckt wurde, dies nicht der Ort sein müsse, an dem es entstanden ist.

Daniel Lucey, ein Spezialist für Infektionskrankheiten am Georgetown University Medical Centre in den USA, lehnte die Position der Chinesen ab. Für ihn ist der Weg über Tiefkühlkost keine „sehr wahrscheinliche legitime Erklärung.“

Dale Fisher, ein Arzt für Infektionskrankheiten an der National University of Singapore (NUS), sagte, „die Theorie der kalten Kette basiert auf der Idee, dass es Ausbrüche in den Fleischverarbeitungsbetrieben in einem anderen Land gibt. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass es vor Wuhan zu einer weit verbreiteten Krankheitsausbreitung kam“, sagte Fisher.

Leo Poon Lit-man, Leiter der Abteilung für Laborwissenschaften an der School of Public Health der Universität Hongkong, stimmte zu, dass es einen Mangel an Beweisen gibt. „Es ist sehr schwer, das Risiko auf der Basis von nur ein paar Vorfällen zu beurteilen“, sagte er und fügte hinzu, dass er keine Möglichkeit komplett ausschließen wolle.

Dennoch haben etwa 124 Hersteller von Lebensmitteln der kalten Kette in 21 Ländern die Exporte nach China ausgesetzt, freiwillig oder anderweitig, stellte Chinas General Administration of Customs fest.

China hat Unternehmen mit infizierten Mitarbeitern oder virus-positiven Waren vorübergehend ausgeschlossen. Dies hat zu Beschwerden von Handelspartnern bei der WHO geführt.

Mangelhafte Transparenz

Vor diesem Hintergrund liess das US- Landwirtschaftsministerium wissen: „Chinas jüngste Covid-19-Beschränkungen für importierte Lebensmittel basieren nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und drohen den Handel zu stören. Am Dienstag betonten US – Vertreter, sie würden die WHO-Ergebnisse in Wuhan ohne unabhängige Überprüfung nicht akzeptieren. China habe nicht die „erforderliche Transparenz“ geboten, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price.

Indessen sind weitere Produkte auf die Verdachtsliste gekommen. Darunter befinden sich brasilianische Hühnerflügel , saudi-arabische Shrimps, chilenische Kirschen und ukrainisches Milchpulver. In allen Fällen waren positive Tests der Produkte oder der Verpackung der Grund.

David Murdoch, Epidemiologe an der Universität von Otago in Neuseeland, erklärte, diese positiven Tests könnten lediglich bedeuten, dass sehr geringe Mengen des Sars-CoV-2-Virus vorhanden sind, die für niemanden ein Risiko darstellen.

Inzwischen scheint die Mehrheit der Experten anzunehmen, dass der Hauptverbreitungsweg von Covid-19 der enge Kontakt mit kranken Menschen ist, die beim Sprechen, Husten oder Niesen Viruspartikel in die Luft abgeben.

Das relative Risiko, durch das Berühren einer kontaminierten Oberfläche krank zu werden, wird als „viel, viel geringer“ eingeschätzt, so der Lebensmittelvirologe Jaykus von der North Carolina State University. Menschen, die mit den so genannten Cold-Chain-Infektionen in Verbindung gebracht werden, hätten das Virus anderswo aufgenommen.

Im WHO-Leitfaden für Verbraucher heißt es, dass es „derzeit keine Beweise dafür gibt, dass sich Menschen über Lebensmittel oder Lebensmittelverpackungen mit Covid-19 anstecken können.“ Dennoch wird den Menschen, die regelmäßig mit solchen Lebensmittel konfrontiert sind, empfohlen, sich zu schützen. Ein WHO- Sprecher wies darauf hin, dass „einige Studien, die zur Übertragung von Covid-19 auf der Oberfläche durchgeführt wurden, zeigen, dass das Virus eine gewisse Zeit unter Kühlhausbedingungen überleben könnte. „

Studien gegen Studien

Obwohl China keine Fälle von Verbrauchern gemeldet, die durch kontaminierte Lebensmittel oder Verpackungen infiziert wurden, scheint es der einzige Staat zu sein, der Infektionen mit Viren auf Lebensmittelverpackungen in Verbindung bringt. Dies hat dazu geführt, das zahlreiche Länder Studien ausgruben, welche die Kühlketten-These nicht bestätigen. Peking antwortete mit Gegenbeispielen:

Bis Ende letzten Jahres wurden in Hongkong 1.300 Proben von tiefgekühlten Lebensmitteln und 2.200 Kühlhausmitarbeiter getestet. Keiner der Tests war positiv.

Taiwan führte im vergangenen Jahr eine Stichprobenkontrolle von 44 importierten Artikeln aus vier von Covid-19 betroffenen Ländern durch und fand keine Spuren des Virus.

In Neuseeland wurde ein Lagerarbeiter eines Tiefkühllogistikunternehmens nach mehr als 100 Tagen der erste lokale Covid-19-Fall im Land, aber eine Untersuchung der Regierung, schloss eine Übertragung über die Kältekette aus.

Eine Gruppe von chinesischen CDC-Forschern, einschließlich des Direktors Gao Fu, sagte, sie hätten den überzeugendsten Beweis für diese Art der Übertragung gefunden, nachdem sie Fälle in der östlichen Küstenstadt Qingdao untersucht hatten.

Das Team sagte, sie hätten zum ersten Mal ein „lebendes“ Virus isoliert, oder eines, das in der Lage ist, sich in Zellen zu vermehren, aus Paketen von Kabeljau. Zwei infizierte Arbeiter hatten den Fisch Tage zuvor ausgeladen, woraus die Forscher schlossen, dass dies die wahrscheinliche Quelle war.

Der Mikrobiologe Emanuel Goldman von der Rutgers-New Jersey Medical School sagte, die Virusisolierung sei ein „Beweis des Prinzips“, dass diese Art der Übertragung passieren könne, aber es sei immer noch „sehr selten“.

Poon von der HKU sagte jedoch, es sei nicht klar, ob das Virus zuerst von der Fischverpackung gekommen sei oder durch Husten oder Niesen eines kranken Arbeiters kontaminiert worden sei. „Es ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei, was war zuerst da“, sagte er.

In seinen Kommentaren am Dienstag wiederholte der WHO-Teamleiter Ben Embarek, dass es sich um ein Virus handelt, das auf Tiefkühlware überlebt hat: „Wir verstehen nicht wirklich, ob das Virus dann auf den Menschen übertragen werden kann. Es muss noch eine Menge Arbeit geleistet werden.“