Lehren und Konsequenzen aus dem Tod des Artzes Li Wenliang
23. März 2020Lehren und Konsequenzen aus dem Tod des Artzes Li Wenliang
Wuhan, 23.3.2020
Li Wenliang wurde gerade mal 34 Jahre alt, als er verstarb. Der Virus, vor dem er gewarnt hatte, streckte ihn erbarmungslos nieder. Wenliang war Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas. Doch das hielt die „Lokalbehörden“ in Wuhan nicht davon ab, ihn zum Verhör vorzuladen. Man warf ihm vor, mit seinen „falschen Äusserungen“ störe er die öffentliche Ordnung. Dann zwangen sie ihn, mit rot eingefärbten Fingerabdrücken eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Darin heißt es: „ Wenn Sie nicht lockerlassen und mit Unverschämtheit weiterhin illegalen Aktivitäten nachgehen, wird das Gesetz Sie bestrafen. Verstehen Sie das?“
Nach seinem Tod beherrschten zum Teil wagemutige Proteste die Stimmung im chinesischen Internet. Vor allem, nachdem die Unterlassungserklärung veröffentlicht wurde. Aber wichtiger noch war diese Erkenntnis: Hätten die Gesundheitsbehörden nach den Hinweisen von Li Wenliang die ersten Kranken sofort isoliert, dann wären wir heute im Kampf gegen den Virus sehr wahrscheinlich nicht so weit zurückgeworfen wie gegenwärtig.
Als es darum ging, den Tod Li Wenliangs mitzuteilen oder ihn zu verschweigen, und über einige Stunden hinweg seltsam widersprüchliche Nachrichten erschienen, fasste Hu Xijin, der Chefredakteur der Parteizeitung „Global Times“ Mut und schrieb dies: „Wuhan sollte sich bei Li Wenliang entschuldigen“ und er fragt: „Warum hat kein Offizieller ihn besucht, als er ernsthaft krank war?“ Nach Ansicht von Hu sei wichtig, zu erkennen: „Dieser Mann hat nichts falsch gemacht. Er war nur der erste, der als Arzt sein professionelles Umfeld vor dem gefährlichen Virus gewarnt hatte.“
Auch wenn dies nun nach einem Märchen klingt- es ist tatsächlich passiert: Die Kommunistiscche Partei Chinas hat den Arzt posthum entlastet. Aus einer Mitteilung des Disziplinarkomitees der Partei geht hervor, dass der Familie eine „feierliche Entschuldigung“ überbracht wurde. Weiter hiess es: Gegen zwei Polizeibeamte würden disziplinarische Maßnahmen ergriffen.
Lehren? In China gibt es keinen organisierten Protest, schon gar keine Gegenpartei. Aber es gibt immer mehr Chinesen die ganz offen „Meinungsfreiheit“ fordern. Was wie ein winziges Pflänzchen wirkt, sollte man dennoch nicht unterschätzen. Es ist richtig: jene auf Weibo gestarteten Foren mit diesem Titel, wurden geschlossen. Doch mit Wenliang haben die Anhänger der Meinungsfreiheit nun einen Märtyrer – und in seinem Namen haben sie einen ersten kleinen Sieg errungen: Die KP China hat eingesehen, das ihre lokalen Vertreter einen groben Fehler zu verantworten haben. Also konnte sie nicht anders – sie musste sich entschuldigen. Scließlich: Das sich ein Chefredakteur der führenden Parteizeitung nicht für „Meinungsfreiheit“ stark macht, könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Bewegung stärker ist, als es von Europa aus betrachtet scheint.
Dass nun „zwei Polizeibeamte“ stellvertretend für die „Lokalbehörden“ dafür büßen müssen, ist hoffentlich noch nicht das Ende der Ermittlungen.